Zum auffälligen Missverhältnis zwischen Arbeitsleistung und Vergütung im Arbeitsverhältnis

BAG,Urteil vom 22.4.2009, 5 AZR 436/08

Ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung im Sinne von § 138 Abs. 2 BGB liegt vor, wenn die Arbeitsvergütung nicht einmal zwei Drittel eines in der betreffenden Branche und Wirtschaftsregion üblicherweise gezahlten Tariflohns erreicht.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 17. April 2008 – 1 Sa 10/07 – aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt wegen Lohnwuchers Nachzahlung weiterer Vergütung.

Die Klägerin war von 1992 bis zum 31. Mai 2002, ebenso wie ihr Ehemann, als ungelernte Hilfskraft im Gartenbaubetrieb des Beklagten beschäftigt. Die Parteien sind nicht tarifgebunden. Die Klägerin ist Portugiesin und der deutschen Sprache nicht mächtig. Gemäß einem in portugiesisch abgefassten Arbeitsvertrag erhielt sie einen Stundenlohn von 6,00 DM netto, für Arbeit an Sonntagen zusätzlich pauschal 10,00 DM netto. Ab dem 1. Januar 2002 erhöhte der Beklagte den Stundenlohn auf 3,25 Euro netto. Die Klägerin arbeitete im Zeitraum von Dezember 1999 bis Mai 2002 durchschnittlich 269 Stunden/Monat, wobei in den Wintermonaten 42 bis 274 Stunden und in der übrigen Zeit 219 bis 352 Stunden monatlich anfielen.

Die Eheleute wohnten gemeinsam mit zwei minderjährigen Kindern auf dem Betriebsgelände in S. Die Klägerin nutzte hier mehrere hundert Quadratmeter für sich als Gemüsegarten und einen Schuppen als Hühnerstall, für den der Beklagte den elektrischen Strom bezahlte. Der Beklagte legte in den Lohnabrechnungen der Klägerin den anteiligen Wert des Sachbezugs für die Wohnstätte einschließlich der übernommenen Nebenkosten fest, und zwar von 1999 bis 2002 zwischen 140,00 DM netto und 76,25 Euro netto monatlich.

Die Klägerin hat im Juni 2002 Stufenklage erhoben. Die Entgeltvereinbarung sei wegen Lohnwuchers nichtig. Sie, die Klägerin, sei im Prinzip Analphabetin. Aufgrund fehlender Sprachkenntnisse, ihres geringen Bildungsstands und ihrer Unkenntnis über Arbeitnehmerschutzvorschriften habe sie das Verhalten des Beklagten hinnehmen müssen. Der Beklagte schulde für Dezember 1999 bis Mai 2002 die übliche Vergütung abzüglich der erbrachten Zahlungen. Zugrunde zu legen sei die Lohngruppe 7 des Lohntarifvertrags für die Gartenbaubetriebe in den Ländern Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und Bremen zzgl. aller Zulagen und Zuschläge.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 36.855,96 Euro brutto nebst Zinsen iHv. vier Prozent bzw. fünf Prozentpunkten über dem Basiszins nach einer bestimmten zeitlichen Staffelung zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Ein Lohnwucher liege nicht vor. Maßstab hierfür könne nicht der Tarifvertrag sein, da sich die Parteien bewusst nicht tariflich gebunden hätten. Die durch die Leistung der Klägerin erzielte Wertschöpfung entspreche nicht der tariflichen Vergütung. Nur Unternehmen auf einem höheren wirtschaftlichen Niveau, nicht aber Familienbetriebe, könnten den Tariflohn ohne Gefährdung ihrer Existenz zahlen. Sein Betrieb für Schnittrosenkulturen sei angesichts der Billigkonkurrenz und des hohen Ausschussanteils der Ware nur als Familienbetrieb zu führen. Vergleichbare Betriebe würden keine höheren Löhne zahlen. Allenfalls 40 % der Gärtnereibetriebe Hamburgs seien im Arbeitgeberverband organisiert. Die Klägerin arbeite das ganze Jahr hindurch, weil sie inständig darum gebeten habe. Ansprüche vor dem 1. Januar 2000 seien verjährt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht durfte den Tatbestand des Lohnwuchers mit der von ihm gegebenen Begründung nicht verneinen. Das führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, § 562 ZPO. Für eine abschließende Entscheidung über die Klage bedarf es weiterer Feststellungen.

I. Nach § 138 Abs. 2 BGB ist ein Rechtsgeschäft nichtig, durch das sich jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit oder des Mangels an Urteilsvermögen eines anderen für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen. Die Regelung gilt auch für das auffällige Missverhältnis zwischen dem Wert der Arbeitsleistung und der Lohnhöhe in einem Arbeitsverhältnis. Ein wucherähnliches Geschäft liegt nach § 138 Abs. 1 BGB vor, wenn Leistung und Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen und weitere sittenwidrige Umstände, zB eine verwerfliche Gesinnung des durch den Vertrag objektiv Begünstigten, hinzutreten (BAG 26. April 2006 – 5 AZR 549/05BAGE 118, 66, 71 f.; BGH 13. Juni 2001 – XII ZR 49/99 – zu 4 b der Gründe, NJW 2002, 55, 56, jeweils mwN). Verstößt die Entgeltabrede gegen § 138 BGB, schuldet der Arbeitgeber gem. § 612 Abs. 2 BGB die übliche Vergütung.

1. Das Landesarbeitsgericht hat für die Beurteilung des Wuchertatbestands auf die Verhältnisse am 1. Januar 1994 abgestellt, als das zunächst befristet abgeschlossene Arbeitsverhältnis einvernehmlich fortgesetzt wurde. Demgegenüber kommt es bei arbeitsvertraglichen Vergütungsvereinbarungen auf den jeweils streitgegenständlichen Zeitraum an. Eine Entgeltvereinbarung kann bei Vertragsabschluss noch wirksam sein, jedoch im Laufe der Zeit, wenn sie nicht an die allgemeine Lohn- und Gehaltsentwicklung angepasst wird, gegen § 138 BGB verstoßen (Senat 26. April 2006 – 5 AZR 549/05BAGE 118, 66, 72). Dafür spricht schon der Wortlaut des § 138 Abs. 2 BGB, der neben dem „sich versprechen lassen“, das „sich gewähren lassen“ ausdrücklich einbezieht. Letzteres betrifft nicht allein das Erfüllungsgeschäft und geschieht auch nach Vertragsschluss durch Rechtsgeschäft, weil die beiderseitigen Leistungen weiterhin von dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien getragen sind. Bei einem unter Umständen jahrzehntelangen Arbeitsverhältnis kann nicht allein an die Verhältnisse bei Vertragsschluss angeknüpft werden und die weitere Entwicklung unberücksichtigt bleiben.

2. Das Landesarbeitsgericht hat die Berücksichtigung des Gesamtcharakters des Arbeitsverhältnisses abgelehnt. Dies ist rechtsfehlerhaft. Wucher ist eine besondere Ausprägung der Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB. Die Sittenwidrigkeit einer Entgeltvereinbarung ist nicht allein nach der vereinbarten Entgelthöhe zu beurteilen (Senat 26. April 2006 – 5 AZR 549/05BAGE 118, 66, 71 f.). Insbesondere die überlangen, das gesetzlich Zulässige weit übersteigenden und zudem unregelmäßigen Arbeitszeiten beeinflussen die Beurteilung der Sittenwidrigkeit der Entgeltvereinbarung. Sie verdeutlichen die sittenwidrige Ausbeutung der Klägerin.

II. Für die weitere Prüfung hat das Landesarbeitsgericht von Folgendem auszugehen:

1. Ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung liegt vor, wenn die Arbeitsvergütung nicht einmal zwei Drittel eines in der betreffenden Branche und Wirtschaftsregion üblicherweise gezahlten Tariflohns erreicht.

a) Das auffällige Missverhältnis bestimmt sich nach dem objektiven Wert der Leistung des Arbeitnehmers. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist nicht der sog. Aneignungswert für den Unternehmer maßgebend. Ausgangspunkt der Wertbestimmung sind in der Regel die Tariflöhne des jeweiligen Wirtschaftszweigs. Sie drücken den objektiven Wert der Arbeitsleistung aus, wenn sie in dem betreffenden Wirtschaftsgebiet üblicherweise gezahlt werden. Entspricht der Tariflohn dagegen nicht der verkehrsüblichen Vergütung, sondern liegt diese unterhalb des Tariflohns, ist von dem allgemeinen Lohnniveau im Wirtschaftsgebiet auszugehen (Senat 24. März 2004 – 5 AZR 303/03BAGE 110, 79, 83; 23. Mai 2001 – 5 AZR 527/99 – zu II 2 a der Gründe, EzA BGB § 138 Nr. 29; 11. Januar 1973 – 5 AZR 321/72 – zu I 2 b der Gründe, AP GG Art. 3 Nr. 110).

Die Bestimmung des Werts der Leistung anhand des Tariflohns schränkt nicht die negative Koalitionsfreiheit der Parteien, insbesondere des Beklagten, ein. Hierdurch wird auch kein faktischer Zwang oder erheblicher Druck zum Verbandsbeitritt ausgeübt. Die einschlägigen Tarifverträge werden lediglich rechtstatsächlich als Vergleichsmaßstab zur Bestimmung der üblichen und angemessenen Vergütungshöhe herangezogen. Das Grundrecht der negativen Koalitionsfreiheit gem. Art. 9 Abs. 3 GG schützt nicht davor, die Ergebnisse von Koalitionsvereinbarungen als Anknüpfungspunkt für Regelungen und Bewertungen zu nehmen (BVerfG 11. Juli 2006 – 1 BvL 4/00BVerfGE 116, 202, 218 f.).

b) Das Missverhältnis ist auffällig, wenn es einem Kundigen, ggf. nach Aufklärung des Sachverhalts, ohne weiteres ins Auge springt (BGH 22. April 1997 – 1 StR 701/96BGHSt 43, 53, 60).

aa) Das Bundesarbeitsgericht hatte insoweit bisher keinen Richtwert zu entwickeln (vgl. Senat 24. März 2004 – 5 AZR 303/03BAGE 110, 79, 84). Der Bundesgerichtshof hat demgegenüber in einem Fall des Lohnwuchers gem. § 302a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB aF die tatrichterliche Würdigung des Landgerichts, ein auffälliges Missverhältnis liege bei einem Lohn iHv. zwei Dritteln des in einem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag geregelten Entgelts vor, revisionsrechtlich gebilligt (BGH 22. April 1997 – 1 StR 701/96BGHSt 43, 53). Der Senat hält nunmehr ebenfalls eine Grenze von zwei Dritteln für zutreffend, unterhalb derer mangels besonderer Umstände des Falls Lohnwucher anzunehmen ist. Wird der übliche Lohn in einem derartigen Ausmaß unterschritten, liegt eine ganz erhebliche, ohne weiteres ins Auge fallende und regelmäßig nicht mehr hinnehmbare Abweichung vor, für die es einer spezifischen Rechtfertigung bedarf. Die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt können auch nicht mit den Gegebenheiten bei Ratenkreditgeschäften gleichgesetzt werden, bei denen eine größere Abweichung noch toleriert werden konnte (vgl. Senat 24. März 2004 – 5 AZR 303/03 – aaO). Dementsprechend findet sich bei den Instanzgerichten (vgl. etwa LAG Berlin 20. Februar 1998 – 6 Sa 145/97 – zu 2.2 der Gründe, NZA-RR 1998, 392; LAG Bremen 17. Juni 2008 – 1 Sa 29/08 – zu I 2 c aa der Gründe, LAGE BGB 2002 § 138 Nr. 1; LAG Rheinland-Pfalz 19. Mai 2008 – 5 Sa 6/08 – zu II der Gründe; LAG Berlin-Brandenburg 28. Februar 2007 – 15 Sa 1363/06 – zu 2 der Gründe) und im Schrifttum (vgl. nur Peter AuR 1999, 289, 293; Gerhard Reinecke NZA 2000 Beilage zu Heft 3 S. 23, 32; Lakies NZA-RR 2002, 337, 341; zurückhaltend Schaub/Linck ArbR-Hdb. 12. Aufl. § 36 Rn. 11; anders MünchArbR/Hanau 2. Aufl. § 63 Rn. 6, der als Faustregel die Hälfte des Marktlohns annimmt) weitgehend Übereinstimmung im Bereich eines Richtwerts von zwei Dritteln des üblichen Lohns.

bb) Die Grenzziehung bei einer Unterschreitung des Tariflohns um mehr als ein Drittel berücksichtigt bereits, dass Tarifverträge vielfach Zusatzleistungen vorsehen. Zu vergleichen ist demnach die regelmäßig gezahlte Vergütung mit dem regelmäßigen Tariflohn. Tarifliche Zulagen und Zuschläge für besondere Arbeiten und Arbeitszeiten oder aus bestimmten Anlässen sind ebenso wenig einzubeziehen wie unregelmäßige Zusatzleistungen eines Arbeitgebers im streitigen Arbeitsverhältnis. Derartige Leistungen bestimmen grundsätzlich weder den verkehrsüblichen Wert der Arbeit als solchen noch den Charakter des Arbeitsverhältnisses. Nur die generalisierende Betrachtungsweise ermöglicht eine praktikable Bestimmung des maßgeblichen Grenzwerts.

cc) Besondere Einzelumstände können die Beurteilung der sittenwidrigen Ausbeutung ebenso wie die Bestimmung des Werts der Arbeitsleistung beeinflussen. Angesichts der Vielgestaltigkeit der Fälle und des Zwecks von § 138 BGB, Einzelfallgerechtigkeit herzustellen, ist die Berücksichtigung der konkreten Umstände unverzichtbar. So entsprach ein 75 % der Tarifvergütung unterschreitendes Gehalt einer Lehrkraft nicht mehr den guten Sitten gem. § 138 BGB, weil die öffentliche Hand dem Arbeitgeber 97 % der Personalkosten als Zuschuss gewährte und damit Vorgaben zur Vergütungshöhe verbinden durfte (Senat 26. April 2006 – 5 AZR 549/05BAGE 118, 66, 72 ff.). Umgekehrt kommen Abschläge beim Wert der Arbeitsleistung von Arbeitnehmern mit besonders einfachen Tätigkeiten oder mit erheblichen Leistungsdefiziten in Betracht, wenn der einschlägige Tarifvertrag auf diese Personen keine Rücksicht nimmt. Das gilt insbesondere für Fälle, in denen der Arbeitnehmer zu den einschlägigen Tarifbedingungen regelmäßig überhaupt keinen Arbeitgeber finden würde. Jedenfalls kann die weitgehende Subventionierung eines Arbeitsverhältnisses durch die öffentliche Hand eine entscheidende Rolle spielen. Für Auszubildende hält § 17 BBiG eine Sondervorschrift bereit. Die hierzu ergangene Rechtsprechung (vgl. Senat 10. April 1991 – 5 AZR 226/90BAGE 68, 10, 15 f.) lässt sich nicht auf Arbeitsverhältnisse übertragen.

Besondere Umstände sind ggf. auch sonstige geldwerte oder nicht geldwerte Arbeitsbedingungen. Diese können für die erforderliche Gesamtbetrachtung gerade in Grenzfällen von Bedeutung sein. Wirken sich nichtberücksichtigungsfähige tarifliche Zusatzleistungen (oben II 1 b bb) praktisch erheblich aus, können sie im Einzelfall zu einer Korrektur der Zwei-Drittel-Grenze führen.

2. Die Vergütung der Klägerin lag im Streitzeitraum unterhalb von zwei Dritteln des maßgeblichen Tariflohns. Besondere Umstände für eine Verschiebung der Grenze zugunsten des Beklagten sind nicht ersichtlich. Allerdings hat das Landesarbeitsgericht die Üblichkeit des Lohns in den Gartenbaubetrieben der Region nicht ausdrücklich festgestellt.

a) Das Landesarbeitsgericht hat geprüft, ob der Beklagte verpflichtet war, der Klägerin Entgelterhöhungen anzubieten, um ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung im Streitzeitraum zu vermeiden. Es hat insoweit zu Recht bei der Bewertung der Leistung des Beklagten die regelmäßigen Sachbezüge der Klägerin einbezogen. Der Ansatz des Sachbezugs in der vom Beklagten selbst zugrunde gelegten Höhe ist nicht zu beanstanden. Gegen die Beurteilung des Landesarbeitsgerichts, die entsprechenden Beträge seien angemessen, erhebt weder der Beklagte noch die Klägerin eine revisionsrechtlich durchgreifende Rüge. Ebenso hat das Landesarbeitsgericht zutreffend den Stundenlohn der Lohngruppe 7 (Arbeitnehmer ohne gärtnerische Berufsausbildung nach zweijähriger Betriebszugehörigkeit) für Beschäftigte im gärtnerischen Bereich von Gartenbaubetrieben des Lohntarifvertrags für die Gartenbaubetriebe in den Ländern Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und Bremen herangezogen und die Zuschläge, das Urlaubsgeld und die sonstigen Nebenleistungen des Rahmentarifvertrags unberücksichtigt gelassen. Rechtsfehler sind auch bei der Umrechnung der Nettostundenvergütung in einen Bruttobetrag anhand der einzelnen Monate nicht ersichtlich. Auf dieser Grundlage hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, die Klägerin habe im Durchschnitt der Monate pro Arbeitsstunde 65 % des Tarifentgelts bezogen. Hiergegen hat der Beklagte keine erheblichen Rügen erhoben. Errechnet man entgegen der Methode des Landesarbeitsgerichts aus der Nettostundenvergütung der Klägerin auf der Grundlage der tariflichen Arbeitszeit, der gesetzlichen Höchstarbeitszeit oder der tatsächlich durchschnittlich erbrachten Arbeitszeit unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse der Klägerin (Lohnsteuerklasse IV, 2 Kinderfreibeträge, römisch-katholisch, gesetzlich versichert) einen Bruttolohn oder auf der Grundlage des tariflichen Bruttostundenlohns unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse der Klägerin einen (tariflichen) Nettostundenlohn, ergibt sich ebenfalls jeweils eine Unterschreitung des Tariflohns um mehr als ein Drittel.

b) Besondere Gründe, zugunsten des Beklagten von der Zwei-Drittel-Grenze abzuweichen, bestehen nicht. Die geringe wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Betriebs ist hierfür unerheblich. Die Gesamtschau der Arbeitsbedingungen der Klägerin spricht eher gegen den Beklagten (oben I 2).

c) Das Landesarbeitsgericht hat die Üblichkeit des Tariflohns nicht festgestellt. Es hat angenommen, die vertragliche Nebenpflicht auf Anpassung der Vergütung setze eine deutliche und greifbare Unterschreitung des Tarifentgelts und ein unzweifelhaft bestehendes auffälliges Missverhältnis voraus, wofür eine durchschnittliche Vergütung iHv. 65 % des Tarifentgelts nicht ausreiche. Das Arbeitsgericht hat nicht auf die Üblichkeit des Tariflohns abgestellt, weil es allein die Verhältnisse am 1. Januar 1994 zugrunde gelegt hat. Die von ihm eingeholten Auskünfte, wonach der Organisationsgrad der Arbeitgeber zwischen 60 und 70 % betrage, hat es ausdrücklich nicht zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht. Diese Frage ist zwischen den Parteien streitig geblieben. Sie ist im neuen Berufungsverfahren zu klären. Eine Üblichkeit der Tarifvergütung kann angenommen werden, wenn mehr als 50 % der Arbeitgeber eines Wirtschaftsgebiets tarifgebunden sind oder wenn die organisierten Arbeitgeber mehr als 50 % der Arbeitnehmer eines Wirtschaftsgebiets beschäftigen. Demgegenüber ist der Organisationsgrad der Arbeitnehmer weniger aussagekräftig, denn dieser führt ohne Tarifbindung der Arbeitgeber nicht zur Üblichkeit entsprechender Tarifentgelte. Auf die vom Beklagten geltend gemachten Besonderheiten seines Betriebs kommt es jedenfalls nicht an.

3. Das Landesarbeitsgericht hat die subjektiven Voraussetzungen des Lohnwuchers oder eines wucherähnlichen Rechtsgeschäfts nicht ausdrücklich festgestellt.

a) Der Tatbestand des Lohnwuchers setzt voraus, dass der „Wucherer“ die beim anderen Teil bestehende Schwächesituation (Zwangslage, Unerfahrenheit, mangelndes Urteilsvermögen, erhebliche Willensschwäche) ausbeutet, also sie sich in Kenntnis vom Missverhältnis der beiderseitigen Leistungen bewusst zunutze macht (BGH 8. Juli 1982 – III ZR 1/81 – zu I 2 c der Gründe, NJW 1982, 2767, 2768). Zur Ausbeutung der Situation der Klägerin noch im Streitzeitraum hat das Landesarbeitsgericht keine näheren Feststellungen getroffen.

b) Auch das wucherähnliche Rechtsgeschäft setzt in subjektiver Hinsicht voraus, dass der begünstigte Vertragsteil Kenntnis vom Missverhältnis der beiderseitigen Leistungen hat. Seine verwerfliche Gesinnung ist nicht nur dann zu bejahen, wenn er als der wirtschaftlich oder intellektuell Überlegene die schwächere Lage des anderen Teils bewusst zu seinem Vorteil ausnutzt, sondern auch dann, wenn er sich leichtfertig der Einsicht verschließt, dass sich der andere nur wegen seiner schwächeren Lage oder unter dem Zwang der Verhältnisse auf den ungünstigen Vertrag einlässt (Senat 22. März 1989 – 5 AZR 151/88 – zu IV 2 der Gründe; BAG 30. Juli 1985 – 3 AZR 401/83 – zu III 3 der Gründe, AP BGB § 138 Nr. 39 = EzA BGB § 138 Nr. 18; BGH 13. Juni 2001 – XII ZR 49/99 – zu 4 b der Gründe mwN, NJW 2002, 55, 56). Ein besonders auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung spricht ohne weiteres für eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten. Im Übrigen muss sich dieser auch dann, wenn das bestehende Missverhältnis bereits einen hinreichend sicheren Schluss auf den subjektiven Tatbestand zulässt, nach der allgemeinen Lebenserfahrung zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen haben, es liege ein solches Missverhältnis vor (BGH 13. Juni 2001 – XII ZR 49/99 – aaO) .

Im Arbeitsverhältnis wird regelmäßig davon ausgegangen werden können, dass die einschlägigen Tariflöhne den Arbeitgebern bekannt sind; denn sie sind für die Arbeitgeber einerseits von hohem Interesse, andererseits für sie ohne besondere Schwierigkeit zu beschaffen. Damit ist der Marktwert der Arbeitsleistung jedenfalls erkennbar, wenn sich ein Schluss auf die Üblichkeit des Tariflohns im Wirtschaftsgebiet aufdrängt. Ob dies der Fall ist, hängt von den Umständen ab und bedarf hinsichtlich des Beklagten noch tatrichterlicher Feststellung und Bewertung. Dagegen steht fest, dass der Beklagte den Wert seiner Gegenleistungen einschließlich der Sachbezüge entsprechend den Lohnabrechnungen kannte. Maßgebend ist die Kenntnis der für die Beurteilung erheblichen Umstände. Es hilft dem Beklagten daher nichts, wenn er die Zwei-Drittel-Grenze nicht kannte und sich etwa wegen wirtschaftlicher Notwendigkeiten als Familienunternehmer ohne Tarifbindung für berechtigt hielt, die Klägerin für 6,00 DM bzw. 3,25 Euro/Stunde zu beschäftigen.

4. Die Einrede der Verjährung für die Ansprüche aus der Zeit vor dem 1. Januar 2000, also hinsichtlich der Nachforderung für Dezember 1999, wird erfolglos bleiben. Besteht der Klageanspruch, ist er gem. § 614 BGB am 1. Januar 2000 fällig geworden. Insoweit galt gem. § 196 Abs. 1 Nr. 9 BGB aF in Verb. mit Art. 229 § 6 Abs. 1 und 3 EGBGB eine zweijährige Verjährungsfrist, die gem. § 201 Satz 1 BGB aF und § 198 Satz 1 BGB aF mit dem Schluss des Jahres 2000 begann. Die Klägerin hat im Juni 2002 und damit vor Fristablauf eine Stufenklage erhoben, mit der sie die volle Zahlung auf der Grundlage des Tariflohns verlangt hat. Die Stufenklage hemmt die Verjährung im Rahmen des gestellten Antrags, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB.

5. Die Ausschlussfrist gem. § 15 Ziff. 2 des Rahmentarifvertrags für die Gartenbaubetriebe findet mangels Tarifgebundenheit der Parteien keine Anwendung. Entgegen der Auffassung des Beklagten ändert daran die Heranziehung tariflicher Regelungen zur Bestimmung der üblichen Vergütung nichts.

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